Tagungsdokumentation

Dokumentation der Fachtagung „Lernergebnisorientierung im deutschen Bildungssystem – Ein bildungsbereichsübergreifender Dialog“

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Die Tagung wurde von Dr. Stefan Luther, Leiter der Unterabteilung Bildungs- und forschungspolitische Grundsatzfragen im BMBF und Vorsitzender des Arbeitskreises DQR, und Heidi Weidenbach-Mattar, stellvertretende Generalsekretärin der KMK, eröffnet.






Beide betonten, dass mit der Entwicklung des DQR ein Paradigmenwechsel eingeleitet wurde. Mit Schaffung dieses bildungsbereichsübergreifenden Instruments würden Lernprozesse und Übergänge zwischen den Bildungsbereichen stärker als bisher in den Blick genommen mit dem Ziel, auf nationaler und europäischer Ebene mehr Transparenz herzustellen.




Zum Einstieg in den bildungsbereichsübergreifenden Dialog informierte Jens Bjørnåvold (European Centre for the Development of Vocational Training) über die Entwicklung der Lernergebnisorientierung in Europa. Er stellte fest, dass sich die Sichtbarkeit des Ansatzes deutlich gesteigert hat, dass aber zum Teil noch große Unterschiede in der Beschreibung von Lernergebnissen zu beobachten sind – sowohl im Ländervergleich als auch innerhalb einzelner Länder. Vor diesem Hintergrund gebe es auf europäischer Ebene derzeit Bestrebungen, ein gemeinsames Verständnis von Lernergebnissen zu fördern und ein einheitliches Beschreibungsformat zu entwickeln, das jedoch nicht die nationalen Ansätze ersetzen solle.

Anschließend wurde die konkrete Umsetzung der Lernergebnisorientierung in Ausbildungsordnungen, Lehrplänen und Curricula der verschiedenen Bildungsbereiche in Deutschland vorgestellt:

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Prof. Dr. Hans Anand Pant (Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen) erläuterte den Begriff und die Funktion von „Bildungsstandards“ in der Allgemeinbildung. Sie stellen einen verbindlich zwischen allen Ländern vereinbarten gemeinsamen Bezugspunkt dar und beschreiben fachbezogene Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erlangt haben sollen. Darüber hinaus bekräftigte er die Notwendigkeit einer Abstimmung zwischen den Bildungsbereichen.




Irmgard Frank (Bundesinstitut für Berufsbildung) und Wilfried Malcher (Handelsverband Deutschland) beschrieben anschließend für den Bereich der Berufsbildung, wie die Ordnungsmittel mit Ausrichtung auf den DQR derzeit lernergebnisorientiert beschrieben werden.

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Als besondere Herausforderung stellten sie dar, dass die Curricula einerseits prägnant formuliert sein müssen, um den Praktikern als leicht verständliche Arbeitshilfe zu dienen, und andererseits Breite und Tiefe der Kompetenzen abbilden sollen. Ebenso bestehe die Notwendigkeit, die personalen Kompetenzen, die bisher eher implizit enthalten waren, explizit zu formulieren. Dabei stelle sich die Frage, ob dies für jedes beschriebene Handlungsfeld geschehen oder dafür ein eigenes Handlungsfeld formuliert werden sollte.

Prof. Dr. Micha Teuscher (Hochschulrektorenkonferenz und Hochschule Neubrandenburg) ging in seiner Präsentation auf die Rolle von Lernergebnisorientierung im Hochschulbereich, auf Bildungsziele und auf die Kategorisierung von Kompetenzen im Hochschulqualifikationsrahmen und im DQR ein. Beide verwendeten verschiedene Kompetenzbegriffe und gingen von unterschiedlichen Bildungszielen aus. Es bestehe daher die Notwendigkeit den bildungsbereichsübergreifenden DQR für die einzelnen Bildungsbereiche weiter zu differenzieren. Um Übergänge zu ermöglichen, müsse dabei das Originäre der jeweiligen Bildungsbereiche, auch wenn sie gleichwertig sind, herausgestellt werden.

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Abschließend skizzierte Prof. Dr. Dr. Ekkehard Nuissl von Rein (Universität Kaiserslautern und Deutsches Institut für Erwachsenenbildung) die Besonderheiten der Weiterbildung. Sie diene nicht primär dem Ziel, bestimmte berufliche Positionen zu erreichen. Insbesondere erfordere die Bildung Erwachsener eine spezifische Integration von Inhalt, Gruppe, Methode und Lernergebnis. Teilweise seien Curricula-Beschreibungen noch inputorientiert, aber Impulse des DQR seien bereits erkennbar. Zugeordnet werden könnten nur lernergebnisorientierte Angebote. Eine Pflicht zur Zuordnung dürfe es jedoch nicht geben.





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Am Nachmittag tauschten sich Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Bildungsbereiche in zwei Fachforen über ihr Verständnis von Lernergebnisorientierung aus.

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In Forum I – Allgemeinbildung und Berufsausbildung wurde zunächst von Heike Borkenhagen (Institut für Produktives Lernen in Europa) und Sabine Schickel (Institut für Qualitätsentwicklung Mecklenburg-Vorpommern) ein Ansatz aus dem Bereich der Allgemeinbildung vorgestellt – das „Produktive Lernen“, das abschlussgefährdeten Schülerinnen und Schülern den Übergang von der Schule in den Beruf erleichtern soll. Es stellt die Handlungskompetenz in den Mittelpunkt, indem es Praxiserfahrungen mit schulischem Lernen verbindet. Den Rahmen bilden kompetenzorientiert formulierte Bildungsziele, zielgruppengerechte Kompetenzfeststellungsverfahren (Selbsteinschätzung, Fremdeinschätzung, Portfolio-Ansatz) und praxisbegleitende Lehrerfortbildungen.

Anschließend wurde der Lernergebnisansatz des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung von Irmgard Frank (Bundesinstitut für Berufsbildung) und Mario Patuzzi (Deutscher Gewerkschaftsbund) beschrieben. Er basiert auf dem Kompetenzverständnis des DQR und entspricht dem Begriff der beruflichen Handlungsfähigkeit, wie er im Berufsbildungsgesetz und den Ausbildungsordnungen verwendet wird. Alle neuen Ausbildungsordnungen werden künftig gemäß der Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 26. Juni 2014 zur Struktur und Gestaltung von Ausbildungsordnungen kompetenzorientiert unter Berücksichtigung der Säulen des DQR beschrieben.

Richard Stigulinszky (Ministerium für Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen) erläuterte, wie die Entwicklung der Rahmenlehrpläne des berufsschulischen Teils der dualen Berufsausbildung und die Entwicklung der betrieblichen Ausbildungsrahmenpläne zukünftig effektiver gekoppelt werden können. Die beruflichen Handlungsfelder könnten unter Federführung des Bundesinstituts für Berufsbildung gemeinsam von den Sachverständigen des Bundes und den KMK-Rahmenlehrplan-Mitgliedern erarbeitet werden. Als gemeinsames Konstruktionsprinzip für die Strukturierung und Beschreibung der Lernergebnisse liegt auf beiden Seiten das Modell der vollständigen Handlung zugrunde.

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Abschließend wurde der Stand der Kompetenz- und Lernergebnisorientierung im Bereich der schulischen Berufsausbildung von Thomas Hochleitner (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München) am Beispiel der Lehrpläne für die Berufsfachschulen (hier: die bayerischen Wirtschaftsschulen als Sonderfall der Berufsfachschulen) im Rahmen der neuen Lehrplangeneration LehrplanPLUS beschrieben. Im Mittelpunkt des Konzepts steht der Erwerb überdauernder Kompetenzen durch die Schülerinnen und Schüler. LehrplanPLUS verbindet den aktiven Erwerb von Wissen und Kompetenzen im Unterricht. Die kompetenzorientierten Lehrpläne traten zum Schuljahr 2014/15 in Kraft.

Beiträge zum Download (nicht barrierefrei):


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In Forum II – Berufliche Fort-/Weiterbildung und Hochschulbildung wurde zunächst von Michael Krüger (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden Württemberg) ein im letzten Jahr entwickeltes Beispiel der lernergebnisorientierten Ausgestaltung von Lehrplänen für die Fachschulen für Wirtschaft in Baden-Württemberg  vorgestellt. Die Technikerausbildung ist regional ausgerichtet. Dies erleichtert Übergänge in den regionalen Arbeitsmarkt. Übergänge in die Hochschule gestalten sich schwieriger, da mit allen Hochschulen Einzelfallregelungen getroffen werden müssen.

Der Aufbau der Fortbildungsordnungen wurde für den Bereich der Industrie- und Handelskammern, in dem 80 verschiedene Fortbildungsordnungen existieren, am Beispiel des „Geprüften Handelsfachwirts“ von Dr. Gordon Schenk (Deutscher Industrie- und Handelskammertag) vorgestellt. In § 1 und § 4 werden darin jeweils die zu erlangenden Kompetenzen bzw. die nachzuweisenden Lernergebnisse beschrieben. Nähere Ausführungen dazu enthält der Rahmenplan. Die Prüfungsmodalitäten sind bundeseinheitlich geregelt. Neben umfassenden schriftlichen finden auch mündliche Prüfungen statt, die auf die übergreifende Darstellung der erworbenen Kompetenzen abstellen. In die Zulassungsvoraussetzungen zur Prüfung wurden erstmals die Anerkennung von Studienleistungen im Umfang von 90 ECTS-Punkten aufgenommen und dadurch Übergänge aus dem Hochschulbereich möglich.

Dr. Sandra Fuchs (Münchener Volkshochschule) erläuterte in Ihrem Beitrag, in dem sie sich auf den „Leitfaden zur Formulierung von Lernergebnissen in der Erwachsenenbildung“ der Münchner Volkshochschule bezog, welche großen Chancen der Paradigmenwechsel von der Input- zur Lernergebnisorientierung sowohl für die Weiterbildungsteilnehmer/innen als auch die Weiterbildungsträger birgt. Wenn sich die Formate der Beschreibungen von Lernergebnissen am jeweiligen Verwendungszweck (Ankündigungstext, Lehrplan, Zertifikat oder Qualifikationsrahmen) ausrichten, trage dies entscheidend zu mehr Transparenz, Aussagekraft und damit auch verbesserter Außenwirkung bei. Der Nutzen des jeweiligen Zertifikats für die Teilnehmenden würde aber auch durch eine Zuordnung zum DQR gesteigert. An Beispielen wurde außerdem aufgezeigt, wie lernergebnisorientierte Konzepte der Erwachsenenbildung Kooperationen mit Hochschulen im Sinne von ECTS-Anerkennungen und damit mehr Durchlässigkeit an Übergängen fördern können.

Prof. Dr. Ada Pellert (Deutsche Universität für Weiterbildung) zeichnete ein kritisches Bild von der Kommunikation zwischen den Bildungsbereichen und der Lernergebnisorientierung im Hochschulbereich. Verschiedene Hemmnisse u. a. Finanzierung, Sozialisierung und Professionalisierung stehen im Wege. Es gebe jedoch interessante Ansätze wie den „Qualitätspakt Lehre“ und den Wettbewerb „Offene Hochschulen: Aufstieg durch Bildung“, an dem sich ihre Hochschule beteiligt. Diese Initiativen ermöglichen es, Ressourcen und Know-how aufzubauen.

Beiträge zum Download (nicht barrierefrei):

In der anschließenden Diskussion wurde vor allem das Thema „Durchlässigkeit“ anhand einzelner Beispiele der Anerkennung von Prüfungsleistungen kontrovers diskutiert. Es wurde betont, dass man nicht die Absicht habe, Curricula zwischen den Bildungsbereichen zu „vereinheitlichen“. Vielmehr gehe es um eine gemeinsame Verständigung über die Beschreibung von Lernergebnissen mit dem Ziel höherer Transparenz und der Perspektive gegenseitiger Anerkennung. Diese basiere bisher noch auf individuellen Absprachen. Um hier voran zu kommen, müsse man die Lernergebnisse nachvollziehbarer beschreiben und Bewertungskriterien für die in anderen Bereichen erworbenen Kompetenzen entwickeln. In diesem Zusammenhang wurde auch die Notwendigkeit der Aufnahme nicht-formal erworbener Qualifikationen betont.

Die Fachtagung wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung trägt allein der Verfasser; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben.

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